Von Daniel Benedict | 13.10.2024, 11:27 Uhr
Martina Gedeck distanziert sich von ihren frühen Rollen in „Liebling Kreuzberg“ und „Frauenarzt Dr. Markus Merthin“. Das Frauenbild dahinter findet sie heute fragwürdig, sagt sie und ergänzt: „Der Sexismus ging nicht von den männlichen Kollegen aus.“
Martina Gedeck (63) kritisiert die eigenen frühen Rollen: „Ich habe mit etwa 25 Jahren angefangen zu drehen und immer, immer, immer war so ein kleiner erotischer Kick dabei. Wenn ich mir angucke, wie ich ausstaffiert war: der Lippenstift, die Haare – fürchterlich“, sagte Gedeck unserer Redaktion. „Dabei habe ich mich absolut gleichberechtigt gefühlt. Ich habe das überhaupt nicht überrissen, dass ich als kleines, sexy Überraschungsei eingebaut wurde.“
Hier lesen Sie das Interview mit Martina Gedeck im Wortlaut
Auf die Frage, ob sie sich an konkrete Rollen mit einem fragwürdigen Frauenbild erinnert, antwortete die Schauspielerin: „An unheimlich viele, ich habe schließlich schon in den 80ern gedreht. Bei ‚Liebling Kreuzberg‘ war ich zum Beispiel eine Hospitantin im Anwaltsbüro, immer im kurzen Rock, die Augen schwärmerisch auf Manfred Krug gerichtet.“ Unterstützung habe sie damals gerade von männlichen Hauptdarstellern bekommen: „Der Sexismus ging nicht von den männlichen Kollegen aus. Das waren die herrschenden Strukturen der Fernsehlandschaft zu dieser Zeit.“ Manfred Krug zum Beispiel habe ihr Tipps gegeben, wie sie sich für kommende Projekte positioniere.
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Götz George platzte einmal die Hutschnur
Ihrem Kollegen Götz George sei wegen Gedecks sexistischer Aufmachung einmal sogar der Kragen geplatzt: „Im Film ‚Schulz & Schulz‘ habe ich Götz Georges Geliebte gespielt. Ich erinnere mich noch, wie ich aus der Maske kam. Götz ist zusammengebrochen. ‚Wie siehst du denn aus?‘, hat er gefragt – und dann die Maske zusammengeschissen: ‚Was habt ihr aus der denn Komisches zusammengebastelt? Mach die, wie sie vorher war!‘, erinnerte sich die Schauspielerin.
Für das Geschlechterbild hinter ihren Figuren habe sie selbst damals keinen Sinn gehabt: „Ich weiß nur, dass es mir vollkommen egal war. Ich hatte kein Bewusstsein dafür, was wir transportieren. Gar keins. Ich wollte einfach nur spielen“, sagte Gedeck etwa über die Sprechstundenhilfe, die sie in der Sascha-Hehn-Serie „Frauenarzt Dr. Markus Merthin“ dargestellt hat. „Beim Theater heißt es immer, das Handwerk lernst du in der Provinz. Diese kleinen Rollen in den Serien – das war meine Provinz.“
Für überwunden hält Gedeck den Zeitgeist der 80er und 90er bis heute nicht: „Es ist nicht vorbei“, sagte die 63-Jährige. „Vor gar nicht langer Zeit hat ein Regisseur mir ins Gesicht gesagt: ‚Es soll ja Leute geben, die an Filme mit Frauen in der Hauptrolle glauben. Ich tu das nicht.‘“
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Martina Gedeck wird am 14. September 1961 in München geboren und wächst erst in Landshut, dann in West-Berlin auf. Zum Schauspiel findet sie über einen High-School-Kurs im USA-Austausch.Sie absolviert ihre Schauspielausbildung an der Berliner Hochschule der Künste und debütiert am Frankfurter Theater am Turm. Es folgen Engagements am Schauspielhaus Hamburg, in Basel und Berlin. Die Filmbranche feiert sie mit nahezu allen bedeutenden Filmpreisen. 1988 markieren zwei Arbeiten von Dominik Graf ihr Filmdebüt. Danach dreht Gedeck Episodenhauptrollen in Serien, spielt die „Hölleisengretl“ und ist in „Rossini“ zu sehen. Ihre Darbietung in „Bella Martha“, dem Oscar-prämierten „Das Leben der Anderen“ und dem Oscar-nominierten „Baader Meinhof Komplex“ katapultieren sie in internationale Großproduktionen, wo sie an der Seite von Helen Mirren („The Door“, R: Istvan Szabo), Jeremy Irons („Nachtzug nach Lissabon“, R: Bille August) oder Matt Damon („Der gute Hirte“, R: Robert De Niro) spielt. Es folgen „Die Wand“, „Das Tagebuch der Anne Frank“,„Und wer nimmt den Hund“. Zuletzt spielt sie im Film „Wunderschön“ und in „Die stillen Trabanten“ von Thomas Stuber. Im Fernsehen ist sie mit der Serie „Helgoland 513“ zu sehen sowie im Film „Daheim in den Bergen“, den ihr Ehemann Markus Imboden inszeniert. Wer Martina Gedeck in einer ihrer eher raren Bühnenrollen erleben will, kann noch bis Ende Oktober den Dresdner „Mefistofele“ sehen. Am 4. November gastiert sie auf den Mendelssohn-Festspielen in Leipzig mit „Enoch Arden“, einem Melodram von Richard Strauss.
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